Die Anfänge
Wann ich das erste Mal im Lindenpark war weiß ich nicht mehr, aber das war auf alle Fälle zu den Samstagskonzerten. Eine Band 5 Stunden für 5 Ostmark und 10 Pfennig Kulturbeitrag/ Eintritt. Die Band hat dann eine halbe Stunde gespielt – viertel Stunde Pause – halbe Stunde spielen – der Klassiker. Das waren die 70er – auf jeden Fall mit Saalbestuhlung mit der berühmten Kellnerin mit den X-Beinen und dem Servierwagen, die dann gefragt hat: “ Watt wollt´ ihr ´n?“ „Wir hätten gerne einen Wein.“ „Weiß oder rot?“, lacht….
An Bier war ja nicht zu denken. In keinem staatlichen Jugendkulturhaus gab es Bier. Bier zu Bands oder Tanz gab es nur auf dem Dorf, wenn der private Gastwirt in seinem Saal Party gemacht hat.
Die erste kulturell relevante Begegnung im Lindenpark war die zweite Veranstaltung der Stube, noch oben in den jetzigen Büroräumen. Das muss auch in den späten 70ern gewesen sein. Ich glaube, das war eine Folkloreband mit Namen „PolKartoffel“. Schnell bin ich dann auch Stube- Mitglied geworden. Später – Anfang der 80er – zog die Stube ja dann schon in den Spartacus.
Dann habe ich 1983 angefangen in Meißen Kultur zu studieren und hab 3 Praktika in Potsdam gemacht; u.a. eines davon in der Stube und mein halbjähriges Abschlusspraktikum im Lindenpark. Eigentlich war ich damals noch so auf dem Kleinkunst/ Blues/ Jazz/ Singer-Songwriter – Trip. Ich wurde dann gleich ins kalte Wasser geworfen und habe mich um die Samstagsveranstaltungen und um die Lindenpark-Spektakel gekümmert. Damals gab es eine Reihe die hieß Musikmarkt. Es spielten immer drei Bands aus einem Bezirk (z. Bsp. aus Suhl, Halle, Rostock). Für diese Reihe musste ich dann gleich das laufende Programm machen und für ein halbes Jahr im Voraus buchen. Irgendwie war schnell klar, dass ich auch nach dem Studium im Lindenpark bleiben würde. Das erste was ich gemacht habe: ich habe erstmal den Rentner- und Verkehrten- Ball immer mittwochs rausgeworfen, lacht… und danach die Tische an die Wände und die Stühle drunter. Wir waren schließlich ein Jugendkulturhaus.
Die 80er
Zu Konzerten gab es dann erstmals mehrere Bühnen im Saal. Die Fenster waren noch offen (jetzt zugemauert) und große schwarze Vorhänge davor. Und dann ging es weiter. Wir haben die Lindenpark-Spektakel weitergemacht und danach die Jazzfeste angefangen. Damit waren wir ja auch die Ersten. Dann ging es langsam los mit diesen alternativen Geschichten: dann kam Scheuerecker, die Off Ground- Reihe und die Anderen (oder Avantgarde) Bands, wie man sie damals nannte. Dann habe ich immer mehr in die Jazzveranstaltungen die Punkbands mit reingeworfen, so dass immer eine Avantgardeband mit dabei war. Ja, und dann wurde das business as usual.
Der nächste Höhepunkt waren dann diese Off Ground-Sachen. Die waren wirklich spektakulär. „Art Betweens“ zum Beispiel: Wir haben eine Woche lang Künstlern den Saal und das Außengelände zur Verfügung gestellt für Performance Art, Installationen und Actionkunst – bildende Künstler, die dann tatsächlich am Objekt gearbeitete haben oder aus Schrott Skulpturen auf der Openairbühne zusammengeschweißt haben. Vom künstlerischen Anspruch war das alles sehr hoch angesiedelt. Das waren alles Künstler, die jetzt etabliert sind – durch die Bank weg. Ich würde sagen: Off Ground war so das spektakulärste, was ich gemacht habe.
Und politisch gesehen: Walking on the edge.
Das war schon alles sehr aufregend, aber ich konnte das auch nur machen, weil ich gute Partner hatte, die den Kontakt zu den Künstlern hatten, wie z. Bsp. Adam Adamski, Lars Wünsche und Holger Stark, aber auch Christoph Tannert, der war damals schon Kunstkritiker im Osten und ist heute Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien in Berlin. Ich hab ja eigentlich nur den organisatorischen Rahmen geschaffen. In Potsdam gab es damals nur Olga Maslow und Wolf Dieter Pfennig (bestimmt noch mehr, fallen mir aber nicht mehr ein ;- ). So die ernsthafte Kunst hat mich damals auch nicht so interessiert. Die Sachen die wir damals gemacht haben, waren ja mehr so Filme, Musik und hauptsächlich Performance Art. Das gab`s ja in Potsdam gar nicht.
Natürlich wurden wir auch alle skeptisch von den staatlichen Organen beäugt. Es gab eine eigene Arbeitsgruppe bei der SED- Bezirksleitung, die sich ausschließlich mit dem Lindenpark beschäftigt hat. Die Stasi hat unser Publikum als „negativ dekadent“ bezeichnet, was natürlich damals eine Auszeichnung war. Gleich nach der Wende sind wir dann aus dem Verbund der staatlichen Kulturhäuser ausgetreten und haben den Lindenpark e.V. gegründet.
Die 90er
Die 90er waren natürlich ein Paradies. Die Bands haben ja Schlange gestanden in den ersten Jahren. Die wollten raus. Für die hat sich durch die Öffnung der Grenzen ein neuer Markt geöffnet. Das war für die ein Eldorado für neue Konzerte, insbesondere für die Westbands. Die Manager waren ja auch nicht doof. Die haben ja schon jahrzehntelang Rock`n`Roll gemacht und wenn die sahen, dass da vernünftige Strukturen waren….
Es gab ja im Osten nur `ne Handvoll cooler Clubs. Wir haben uns ja damals die Bands dann auch durchgereicht. Wenn einer von den Leuten eine Anfrage von einer coolen Band hatte, wurden die dann durchgebucht. Zu Ostzeiten waren dies halt die Punkbands.
Die größten Kracher? So vom Anspruch her? Naja, dass ich da erste Konzert der Einstürzenden Neubauten im Osten gemacht habe – und das in einem so kleinen Saal wie im Lindenpark. Das war schon spektakulär. Dann das erste offizielle Element of Crime- Konzert. Die haben ja früher auch nur illegal in Kirchen gespielt. Die Ska-Feste waren auch noch großartig, vor allem die ältersten 2 TONE – Stars, die aus Jamaika rübergekommen sind. Es war ja ein totales Theater gewesen, Geld aus Deutschland in Dollar nach Jamaika zu überweisen und auf´s Konto zu transferieren. Das war für die Banken in Potsdam damals eine riesige Herausforderung gewesen. Die wussten ja gar nicht wie es geht, lacht… Ich möchte fast behaupten, mit den Ska-Festivals hatten wir uns europaweit einen Namen gemacht. Wen sollte ich noch erwähnen? Eric Burdon – das erste Konzert nach 20 Jahren Europaabstinenz – und die große Show mit John Cale von Velvet Underground. Das war eine richtig riesige Produktion. Rammstein als Vorband von Sandow darf man nicht vergessen, lacht…. Das waren so nette Sachen. H-Blockx , HIM, Heather Nova, Motörhead….
Irgendwann kippte es dann so Ende der 90er. Der Osten war abgefrühstückt. Es war ein knallhartes Business und wenn du so als Appendix von Berlin gesehen wirst, ist es natürlich nicht einfach. Du konntest dich abstrampeln die Shows zu kriegen, aber die Agenturen haben die Bands nach Berlin reingebucht. Schwieriger wurde es auch, weil das Publikum mobiler geworden war. Die sind dann auch wie die Bekloppten nach Berlin rein. Dann kam die erste Technophase zu der die Leute alle zu den Parties nach Berlin gerannt sind. Das Angebot wurde schlechter und das Publikum wurde mobiler. Man hat sich nicht mehr getraut, so auf Risiko zu buchen. Anfang der 90er hatte ich relativ freie Hand und konnte einen Verlust über die Tür (die Eintrittsgelder) auch mal ausgleichen. Ich konnte halt nicht mit der Gastro rechnen, wie andere Veranstalter. Das hat es natürlich auch nicht einfacher gemacht. Dann war für mich auch die Luft raus und ich wollte nicht bei `ner Disko Dienst machen. Das war dann nicht mehr meins.
Ich war, nachdem ich aufgehört habe, erst wieder ein einziges Mal im Lindenpark zum Jubiläumskonzert von Keimzeit, die mich gebeten hatten, die Band anzusagen. Ich war seitdem auch sonst eher seltener bei Konzerten. Ich hab alles gesehen. Aus meiner Sicht passiert in der Musik nicht mehr viel Neues. Es gibt zwar nochmal so ein paar Glanzlichter, aber die großen Entdeckerzeiten – so vom Sound – sind meiner Meinung nach vorbei. Da passiert nicht mehr viel. Reizt mich auch nicht mehr. Wenn du so nah dran warst über 20 Jahre und bestimmt 1000 Konzerte gemacht hast, dann hast du alles gesehen. War ´ne tolle Zeit im Leben, die ich nicht missen möchte. Hat Spaß gemacht. Keep on rock`in
Andreas ist studierter Kulturwissenschaftler und arbeitet seit über 18 Jahren als Multimedia Assistent, Administrator und Dozent an der FH- Potsdam. Auch berät er Kunst-, Kultur-, Bildungs- und Tourismuseinrichtungen in Sachen Online Marketing und Social Media.
http://fb.com/socialmediarockt
http://fb.com/klischnet
Naja klar, wir hatten ja in Berlin damals auch ‘Millionen zu verbraten’ … und das haben wir bestens gemacht. Nicht umsonst ist Berlin vergleichbar mit London, Paris und New York – je nachdem wie die Provinzen Deutschlands dazwischen rum schnattern …
Aber der Lindenpark war schon was ganz, ganz Edles und Besonderes! Das war so was wie eine Ära!!
Was für ein phänomenaler Beitrag! Die Story vom Lindenpark ist so mitreißend und spannend, dass man nicht mal die Hintergrund Musik beim lesen wahrnimmt – Authenzität pur. Ein Einblick in ein Meisterwerk, eine Kult- und Entstehungsgeschichte, ein Eindruck eines Lebensabschnitts seinesgleichen. Vielen Dank dafür!